Der schöpferische Umgang mit Gedanken
Der Mensch kann grundsätzlich von einem Gedanken eines anderen Menschen ausgehen. Man nimmt den Gedanken ernst und behandelt ihn mit der Gewissheit, als sei er wahr und geht unmittelbar von ihm als Wirklichkeit aus. In diesem Falle hat ein Gedanken für den Menschen auch eine Konsequenz. Es entsteht zu dem Gedanken eine ganz neue Empfindungssubstanz, ein Erleben. Man überlegt ihn weiter, erwägt Hintergründe des Gedanken und Folgen. Man entwickelt aus dem Gedanken dann ein Bild, dass immer mehr Substanz gewinnt …
Jede Vorstellung ist eine Verallgemeinerung, und diese gehört dem Denken an. Etwas allgemein machen, heißt, es denken.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)
Hierfür muss er längere Zeit einen Gedanken betrachten und in der Konzentration bewahren. Denkt jemand einen Gedanken auf diese Weise für einige Minuten und wiederholt er mehrmals über einige Tage dieses Denken, dann wird sich sehr schnell zeigen, ob der Gedanke tatsächlich eine Wahrheit beinhaltet oder nicht. Man hält dabei als Disziplin alle subjektiven Reaktionen, Gedanken, Gefühle von einem selbst zurück und betrachtet den Gedanken frei. Man lässt ihn frei.
Die wirkliche Kraft, welcher in dieser Welt alle Dinge gehorchen müssen, ist die geistige Anschauung, geistige Einsicht und geistige Entschlossenheit.
Thomas Carlyle (1795-1881)
Das konsumierende Denken
Das Gegenteil dieses schöpferischen Denkens eines Gedanken ist das konsumierende Denken. Dieses Denken bleibt sozusagen beim „Hören“ stehen. Man hört oder liest einen Gedanken und mischt ihn mit in sein Bisheriges hinein.
Die Gedanken erhalten jedoch auf diese Weise keine Kraft mehr, sie verlieren vielmehr ihre geistige Substanz und werden wie verschluckt.
Die Meditation auf konkrete Gedankeninhalte
Der spirituelle Lehrer Heinz Grill beschreibt die Fähigkeit, einen Gedanken als Wahrheit zu behandeln. Dies ermöglicht eine große Freiheit und ist auch mit Verantwortung verbunden.
Eine Meditation erzeugt Kraft, wenn sie im reinen und freien Gedanken vollzogen wird.
Heinz Grill
Die gegenwärtige Zeit benötigt eine spezifische Meditation
Erhebt man einen Gedankeninhalt zum Meditationsobjekt, dann hat es eine große Bedeutung, wie wir mit dem Gedanken umgehen. Heinz Grill betont, dass dann die Freiheit entsteht, wenn wir fähig werden, von einem Gedanken ausgehend zu denken. Dies ist mit jedem Gedanken unmittelbar und immer möglich. Wir können bewusst von einem Gedanken ausgehen und denken lernen, den Gedanken wirklich prüfen sowie inhaltlich und fachlich durchdringen.
Das Geheimnis der Meditation liegt in der Reinheit ihres Inhaltes und darin, wie dieser gedacht und mit Gewissheit vertreten wird. Der Gedanke in Reinheit gleicht einer Sonne, die aus sich selbst, ohne Beeinflussung von außen, Wärme und Licht aussendet. Dieses Ideal entspricht jener Dimension, die man im Yoga mit der sogenannten buddhi*, der höheren Weisheit und Intelligenz bezeichnet. Der Gedanke oder der Inhalt des Denkens erstrahlt in vollbewusster Weisheit ohne beunruhigende Ablenkungen, Irritationen und emotional gebundene Wünsche. Er wird zum Sein, zur gegebenen, realen und gedachten Wirklichkeit, zur Gegenwart und somit zur Realität. Der Mensch erhebt den Gedankeninhalt zur reinen, frei verfügbaren und wirksamen Strahlkraft.
Heinz Grill
Die gegenwärtige Zeit benötigt eine spezifische Meditation
Meditation – Gedankenkonsum oder Gedankenfreisetzung
Eine Konsumhaltung von Gedanken ist auch sehr leicht in Meditation möglich. Assoziiert man einen Gedanken mit seinen eigenen Gedanken, baut man geistige Gedanken in sein Innenleben ein. Der Gedanke verliert in diesen Augenblick seine Ausstrahlung und Kraft.
Als Lernschritt kann man sich selbst deshalb fragen:
Gehe ich wirklich von einem Gedanken eines anderen Menschen aus und nehme ich ihn als wahr? Höre ich in einem Vortag oder Gespräch wirklich zu und weiß, was der andere sagt, oder verkette ich das Gehörte sofort mit meinen eigenen Gefühlen? Setze und beginne ich im Gedanken des anderen oder in meiner eigenen Subjektivität?
Den Gedanken selbst als solches frei und bewusst wahrzunehmen und sich vorzustellen, ist eine bewusste und schöpferische Tätigkeit. Dies ist unmittelbar mit jedem Gedanken möglich. Friedrich Hegel
Heinz Grill charakterisierte, dass man nicht vom Gedanken ausgeht mit folgenden Worten: Man denkt sich innerlich beispielsweise:
Erstens ist der Gedanke ja nicht von mir, zweitens verstehe ich ihn (noch) nicht, drittens kenne ich das Thema zu wenig – und deswegen kann ich nicht von dem Gedanken ausgehen. Erst wenn ich ihn verstehen würde, könnte ich ihn als wahr annehmen und vin ih ausgehen. Deswegen nehme ich den Gedanken nicht ganz ernst.
Heinz Grill
Denkt man dies, dann beraubt man sich selbst damit die Möglichkeit des wirklichen Denkens. Auch in jeder Kommunikation und auch im Leben hat dies eine weitreichende Bedeutung.
Wie die Substanz der Materie die Schwere ist, so müssen wir sagen, ist die Substanz das Wesen des Geistes, die Freiheit.
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831)