Ein Experiment in drei Schritten
In dem hochinteressanten Experiment wurde folgende Aussage von Jens Edrich im ersten Schritt ohne Bewusstsein, leer, eher mechanisch, also ohne Inhalt ausgesprochen: “Der Mensch hat ein nachtodliches Leben.” In der zweiten Stufe wird der gleiche Satz mit aktivem Bewusstsein, also mit Inhalt, in den Raum gesprochen. Es wird die Frage reflektiert: Welche Wirkungen entstehen bei den Zuhörern als auch beim Sprecher? Im dritten Schritt wird der Satz „Der Mensch hat ein nachtodliches Leben“ wieder ohne Inhalt ausgesprochen. Nun werden jedoch die Zuhörer aktiv und fragen sich: Was fehlt an dieser Aussage? Was wäre der eigentliche Inhalt? Dann eröffnen sich wieder neue Wirkungen auf die Atmosphäre als auch auf den Sprecher.
In dem unten folgenden Video (29 Min.) können Sie sich das ganze Experiment anschauen.
Ab Minute 1: Wie eine inhaltslose Aussage wirkt
Ab Minute 5:32: Wie eine Aussage mit Inhalt wirkt
Ab Minute 14:16: Die Erzeugung eines Inhaltes aus einem „Nicht-Inhalt“
Schritt 1: Wie eine inhaltslose Aussage wirkt
Als der Satz ohne Inhalt ausgesprochen wird, entstehen bei den Zuhörern innerlich Abwehrreaktionen oder Antipathien. Die Aussage wirkt fast dogmatisch. Es entsteht keine inhaltliche Anregung, die Zuhörer entwickeln keine weiteren Überlegungen oder Fragen. Die Anwesenden haben den Eindruck, es entsteht keine Verbindung zum Thema und zu anderen Menschen, sondern eine Art Spaltung. Heinz Grill schilderte seine Eindruck, man habe das Gefühl, die Aussage sei gewaltsam in den Raum gestellt.
Schritt 2: Wie eine Aussage mit Inhalt wirkt
Wird dieselbe Aussage mit einem Inhalt ausgesprochen, wird eine bemerkenswert andere Reaktion erlebbar. Es entsteht ein Interesse an den Worten, man denkt selbst den Inhalt weiter, wird in seinem Gedankenleben angeregt und stellt gleich innerlich zu dem Thema weitere Überlegungen an. Man verspürte als Hörer den Wunsch, mit demjenigen, der die Aussage ausgesprochen hat, ein Gespräch zu beginnen.
Schritt 3: Die Erzeugung eines Inhaltes aus einem Nicht-Inhalt
Im dritten Schritt regte nun Jens Edrich an, dass alle Zuhörer schöpferisch auf die inhaltslos ausgedrückte Aussage „Der Mensch hat ein nachtodliches Leben“ reagieren. Sie sollten sich fragen, was denn denn bei dieser Aussage fehle und den fehlenden Inhalt, anstatt des Sprechers, sogar selbst erzeugen. Heinz Grill merkte an, dass es gerade heute viele Nicht-Inhalte gebe, beispielsweise indem bei verschiedenen Themen Ängste verbreitet werden, die dann direkt „ansteckend“ auf andere wirken würden.
Die schöpferische Aktivität der Zuhörer führte nun zu erstaunlichen Wirkungen. Jens Edrich „Beim dritten Mal, wo ich im Nicht-Inhalt angesetzt habe, habe ich plötzlich empfunden im Raum, dass diese Schwere des Nicht-Inhalt eigentlich sich auflöst.“ Er merkte auch, dass die Aktivität der Zuhörer ihn unmittelbar aufgerichtet habe.
In der Reflexion wurde die große Möglichkeit deutlich, die der Mensch grundsätzlich im Leben besitzt, auf Nicht-Inhalte zu reagieren:
Sich nicht emotional anstecken lassen, was zu Antipathie bzw. Abwehrreaktionen führt und so dem inhaltslosen Sprecher sogar Energie hingibt sowie diesen in seiner inhaltslosen Haltung wie zementiert, sondern den fehlenden Inhalt schöpferisch und ringend selbst erzeugen.
Als Folge dieser Aktivität wurde deutlich, dass der inhaltslose Sprecher nicht im “Nicht-Inhalt” bleiben kann. Eine Möglichkeit, die wohl im Lebensalltag noch zu wenig genützt wird.